Erfolgsstory 1996
Wie unser Engagement in Indien begann
Es sei vorausgeschickt: die neue Generation portabler, elektronischer Schreibmaschinen wird auch Jahr 2013 immer noch in Indien produziert!
Doch zurück ins Jahr 1996: Mein damaliger Arbeitgeber hatte die Eigenproduktion portabler, elektronischer
Schreibmaschinen in 1992/93 zu einem Produzenten in der Tschechischen Republik verlagert. Sinkende Vertriebsstückzahlen und steigende Kostenstrukturen in der Tschechischen Republik machten es
erforderlich, eine neue, kostengünstige, qualitativ hochwertige Produktionsstätte in Asien zu finden.
Um eine neue Produktionsstätte zu lokalisieren wandten wir uns an die Deutsch-internationalen Handelskammern in VR China, Hongkong, Malaysia, Thailand und Singapur. Nach anfänglicher Kontaktaufnahme
wurden 16 Lieferanten aus diesen Ländern selektiert, die eine umfangreiche Anfrage mit allen technischen Details erhielten. Eines der Probleme war, dass die Anfrageunterlagen und Daten nicht
vollständig in Englisch waren. Darüber hinaus waren gute, technische Kenntnisse erforderlich, um die Funktionen einer elektronischen Schreibmaschine zu verstehen. Im Oktober 1995 reisten wir mit dem
Ziel nach Asien, aus den kontaktierten Lieferanten bis Januar 1996 maximal 5 Spitzenreiter auszuwählen. Neben dem Einkaufspreis für das Endprodukt richtet sich unser Augenmerk auf die Fähigkeiten der
Lieferanten, im Inland Zulieferer zu finden und selbständig zu qualifizieren, erfolgreiches Management der eigenen Firma, sowie Erfahrung im Import und Export von Material und Geräten. Besonderes
Zusatzziel war, die Unterstützung in Einkauf, Technik, Produktion und Qualität unsererseits auf ein Minimum zu reduzieren.
Zwischenzeitlich nahm Godrej & Boyce Mfg. Co. Ltd. / Mumbai – Indien Kontakt mit uns auf. Godrej wollte Baugruppen und Einzelteile der portablen Schreibmaschinen beziehen, um die eigene
Produktion unter eigener Marke in Indien aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Godrej bereits unter eigener Regie ihre eigenen Büroschreibmaschinen entwickelt und war in Indien die #1 für
Schreibmaschinen. Der Godrej Konzern ist ein über 100-Jahre altes Privatunternehmen mit einem Jahresumsatz von über 1 Mrd. US$ und diversifizierten Produktsparten. Im internationalen Bereich
bestanden damals Lizenzvereinbarungen mit P&G, GE und Seikosha. Darüber hinaus war die Erfahrung in Großserienproduktion und Logistik, Lieferantenauswahl und –qualifizierung, sowie Erfahrung mit
Import- und Exportgeschäften vorhanden.
Die Ansprechpartner bei Godrej wollten ihr eigenes Projekt möglichst kurzfristig auf den Weg bringen und wir waren am 01.03.1996 zum ersten Besuch in Mumbai. Der erste Eindruck war überwältigend: Ein
Großkonzern mit ca. 40 Fabriken auf dem eigenen Werksgelände in Mumbai, Großserienproduktion für Schreibmaschinen, Schlösser, Kühlschränke, Waschmaschinen, Büromöbel etc. Engagierte, kompetente
Mitarbeiter auf allen Management Ebenen mit einem Gespür für eine gemeinsame, erfolgreiche Zukunft: Im wahrsten Sinne „in guten und in schlechten Zeiten“. Nach über 10 Jahren aktiver Einkaufs- und
Beschaffungstätigkeit in ganz Asien stellte sich nur die Frage, wie wir Indien solange übersehen konnten. Die Antwort ist jedoch recht einfach: Indien hat sich erst seit 1992 der Globalisierung und
Internationalisierung der Wirtschaft geöffnet.
Unsere Gespräche mit Godrej wurden in den nächsten Wochen erheblich beschleunigt und die ersten Baugruppen und Bauteile wurden im April nach Indien versandt. Inzwischen hatten wir Godrej auch als
unseren künftigen Lieferanten für die portablen, elektronischen Schreibmaschinen in die engere Wahl gezogen und die ersten Angebote von Godrej erhalten. Im Vergleich mit VR China und Malaysia war
Godrej zu diesem Zeitpunkt nicht der kostengünstigste Anbieter. Wir unternahmen eine weitere Geschäftsreise zu unseren Spitzenreitern in Shanghai, Shenzen, Penang und Bangkok bevor wir Godrej Ende
April erneut besuchten.
Der Anbieter in Shanghai hatte ca. 30% der Komponenten aus der Stückliste in seiner Kalkulation vergessen und hatte keinen Plan, wie Materialien importiert und Schreibmaschinen exportiert werden
könnten. Das Unternehmen in Shenzen hatte zwar Erfahrung mit Büromaschinen, fühlte sich jedoch außer Stande, lokale Zulieferer innerhalb der nächsten Monate zu qualifizieren. Die Hersteller in Penang
und Bangkok lehnten praktisch ab, neue Lieferanten ohne unsere Freigabe zu qualifizieren. Zusammenfassend konnten wir feststellen, dass die Angebotspreise mit dem endgültigen Abgabepreis unserer
Schreibmaschinen in keinerlei Zusammenhang standen. Somit war Godrej & Boyce unsere beste Alternative.
Während des Besuchs im April erhielten wir endgültige Angebote für komplette Schreibmaschinen von Godrej. Als Produktionsstandort waren aus Kostengründen Chennai und Hyderabad im Gespräch. Godrej
hatte die endgültige Entscheidung jedoch noch nicht getroffen. Wir sagten zu, unsere Entscheidung bzgl. Produktionsverlagerung bis spätestens Mitte Mai 1996 bekannt zu geben.
Danach hat sich das Projekt rasant entwickelt:
Mitte Mai 1996: Endgültige Entscheidung über die
Produktionsverlagerung von der Tschechischen Republik nach Indien.
Mai – Juni 1996: Godrej entscheidet, die neue Produktionsstätte in
Hyderabad zu errichten. Die Fabrik musste noch gebaut werden.
Mitte Juni 1996: Vertragsunterschrift und Pressekonferenz in
Mumbai
Juni / August 1996: Wir starten die Vorplanung von Material und Werkzeugverlagerung
Juni / August 1996: Godrej errichtet die neue Fabrik, incl. Produktionsausstattung und
bestellt die Materialien aus Indien. Parallel erfolgte der Umzug des Division Managements von Mumbai nach Hyderabad (anfänglich
ohne Familie).
Mitte September 1996: Der erste Container mit Schreibmaschinen verlässt die neue Fabrik in Hyderabad auf dem Weg nach
Deutschland.
01.10.1996: Projektleiter
Margit E. Flierl (kaufmännisch) und Thomas Hörauf (technisch) ziehen nach Hyderabad, um dort 12 Monate (Th. Hörauf) bzw. 18 Monate (M. E. Flierl) zu leben und das Projekt zu leiten.
Ende Oktober 1996: Alle Werkzeuge sind komplette von Europa nach Indien verlagert.
Die portablen Schreibmaschinen werden nach wie vor in Hyderabad produziert, obwohl Godrej die Fabrik inzwischen an WIPRO verkauft hat. Neben den Projektleitern hat lediglich der Qualitätsleiter die
Fabrik von Zeit zu Zeit besucht. Beigestellte Materialien wurden auf 5 Komponenten, die noch aus Europa geliefert werden müssen, reduziert. Alle anderen Materialien und Bauteile kauft Godrej &
Boyce selbständig überwiegend in Indien ein.
Zusätzlich zur laufenden Produktion, fortgesetzten Kostenreduzierungen (trotz der Spitzen im US$-Kurs), hat Godrej eine Zeichen setzende Neuerung ermöglicht:
Durch vertragliche Bindung mit Godrej, gekoppelt mit einer Vereinbarung über indische Entwicklungskapazitäten konnte eine neue Modellreihe für portable Schreibmaschinen entwickelt und auf den Markt
gebracht werden. Die Entwicklung wäre mit deutschen Entwicklungskosten nicht möglich gewesen. Godrej zeigt in Produktion und Entwicklung konsistent Kompetenz und hervorragende Fachkenntnisse. Godrej
habt alle Zusagen eingehalten und ist bis heute der am besten geeignete Partner, der für dieses Projekt in Frage kommen konnte.
Daten und Zahlen (in Relation des Aufwands):
Produktionskosten (frei Haus Frankfurt, verzollt):
25% Reduzierung gegenüber CZ
Deutsche Unterstützung in
Indien:
anfangs 2 Projektmanager
ab 1998: keinerlei Unterstützung vor Ort
Planung, Einkauf und Beschaffung von
Teilen:
auf 5 reduziert (von ca. 350 Stücklisten-Positionen).
Unterstützung der
Einkaufsaktivitäten:
keine.
Zusammenfassung:
Nach Jahren der Zusammenarbeit mit Godrej & Boyce und tieferer Kenntnis der Rechtslage, Eigentumsverhältnisse von Werkzeugen und Verantwortlichkeit des Kunden bei chinesischen Zulieferern,
bestätigt sich immer wieder, dass Godrej & Boyce nicht nur als idealer Partner für Produktionsverlagerung, Outsourcing, Lieferantenqualifizierung in Indien, sondern als beste Wahl in ganz
Südostasien ist.
Godrej hat wiederholt bewiesen, dass sie ein absolut ehrlicher und zuverlässiger Partner in einem kritischen Geschäftsfeld sind. Zusätzlich fehlt Godrej, und den meisten indischen Herstellern, die
chinesische „Copy-Cat“ Mentalität. Godrej und Indien bieten seinen Partner höchstmögliche Transparenz, keinerlei Sprachbarriere und Ausbildung/Berufserfahrung vergleichbar zu jedem westlichem
Niveau.
Und bei solchen Projekten am Wichtigsten: Wenn Godrej eine Zusage gemacht hat, wurde diese Zusage immer eingehalten. Unabhängig von anderen Einflüssen oder Erkenntnissen. Godrej ist nicht irgendein
Lieferant. Godrej ist ein Partner.